Corona als Chance #3 - Was wirklich wichtig ist
Felix sitzt in seiner neuen Sandkiste, schaufelt Sand in sein Boot, baut damit einen Turm, haut ihn wieder um und findet das so lustig, dass er gleich wieder von vorne beginnt. Er lebt im Moment und genießt ihn in vollen Zügen. In die Zukunft schaut er nicht. Was interessiert ihn schon, was in 5 Minuten kommen wird? Würde er es tun, hätte er weiteren Grund zur Freude. Ich lege gerade seine Lieblingsspeise, einen Maiskolben, auf den Griller und werde dann auch gleich noch das Fahrrad aus dem Keller holen, damit wir am Nachmittag wieder eine kleine Runde drehen, um in der Quarantäne nicht durchzudrehen. Radtouren gefallen ihm deshalb so gut, weil er dann wieder ganz viele Hunde und Katzen sehen wird. Und wenn wir Glück haben, vielleicht sogar einen Traktor.
Felix erlebt gerade die Zeit seines Lebens. Zugegeben, er ist erst 16 Monate jung. Aber immerhin. Die kollektive Angst und Panik in diesen Wochen beschäftigt ihn gar nicht. Für ihn hat sich im Grunde auch nicht viel verändert. Ein bisschen doof findet er zwar, dass wir im Moment nicht rutschen und schaukeln gehen können, aber dafür hat diese Krise für ihn einen riesigen Vorteil: Mama und Papa sind immer zuhause. Manchmal gehen sie beide zwar für ein paar Stunden weg, um zu arbeiten, aber zumindest nicht so weit weg: Mama fährt nicht zur Schule nach Baden, Papa nicht zu seinem Coaching-Sessions nach Wien oder zu irgendwelchen Workshops oder Vorträgen irgendwo anders in Österreich. Beide arbeiten jetzt vom Büro aus online. Außerdem fahren sie generell nicht unnötig irgendwo hin: Nicht um irgendwelche Dinge einzukaufen, die wir eh nicht brauchen oder zum Friseur oder zur Maniküre oder zum Auto waschen.
Felix first. Familiy first. Diese Krise schenkt einerseits zwar nicht allen, aber vielen von uns - zumindest am Telefon - mehr Zeit mit unseren Liebsten, mit den Menschen, die uns am allerwichtigsten sind und die wir in unserem stressigen Alltag aber trotzdem oft hinten anstellen (müssen). Sie stürzt andererseits aber auch viele Einsame und Alleingelassene in ein noch tieferes Loch. Hast du so einen Menschen in deinem Umfeld? Vielleicht magst du ihn heute kurz anrufen. Was dir ein paar Minuten "kostet", verschönert ihm vielleicht den ganzen Tag.
Diese Krise - ob du willst oder nicht - hilft dir dabei, dir deine Werte bewusst zu machen. So wie uns Rückschläge, Niederlagen und Krisen fast immer aufzeigen, was uns wirklich wichtig ist, worauf es im Leben tatsächlich ankommt. In Zeiten der Veränderung können sich Werte auch ordentlich verschieben.
Was ist dir im Moment wirklich wichtig?
1. Dein Selbst-Wert und der Bau deines "Traumhauses"
Hat sich bei dir in den letzten Wochen auch etwas verändert? Bist du draufgekommen, dass du gewisse Dinge jetzt anders siehst oder anders machst als noch vor der Krise? Was ist dir jetzt wirklich wichtig? Und was verliert an Bedeutung? Wen oder was vermisst du im Zuge des "Social Distancing" am meisten? Und bei wem oder was bist du sogar froh, Abstand zu gewinnen?
Corona könnte dir die Chance bieten, deine Werte (neu) zu definieren, um ab sofort bewusstere Entscheidungen zu treffen. Um nachhaltig zufrieden und erfolgreich zu sein ist es nämlich wichtig, nach deinen Werten zu handeln. Viele Menschen jagen ihren Zielen und Träumen hinterher ohne das Fundament dafür gebaut zu haben: Die Definition der eigenen Werte.
Eine meiner Lieblingsübungen in meinen 1:1 Coachings ist das "Traumhaus". Viele Menschen kommen mit ihren (bisher gescheiterten) Zielen zu mir und bitten mich, sie dabei zu unterstützen, diese zu erreichen. Das Erste, was ich dann tue, ist, die Ziele erst einmal beiseite zu legen, manchmal sogar zu verwerfen. Im ersten Schritt ist es wichtig zu überprüfen, ob es wirklich deine Ziele sind oder ob du sie von jemand anderem (Eltern, Freunde, Gesellschaft) übernommen hast, was bei sehr vielen Menschen der Fall ist.
Wenn sie wirklich deine sind, können wir mit dem Bau deines Traumhauses beginnen: Als erstes finden wir dafür deinen "Grund". Simon Sinek nennt es "Start with Why", Ali Mahlodji "Entdecke dein Wofür". Und das darf auch ganz abstrakt sein:
Was macht für dich Sinn? Was gibt dir Sinn? Wofür bist du da?
Als zweites heben wir den Keller aus und betonieren das Fundament deines Hauses, nämlich deine Werte. Was sind die Dinge in deinem Leben, die dir am wichtigsten sind, die du nicht mit dir verhandeln lässt, wo du keine Kompromisse eingehen möchtest? Als drittes setzten wir das Erd-Geschoss drauf, die Ebene mit deinen Stärken, in der du nach unten hin zu deinen Werten gut geerdet bist, die dich aber durch deine besonderen Fähigkeiten hoch hinaus wachsen lässt. Erst dann setzen wir das Dach drauf, die Ziele, die du erreichen und die Träume die du dir verwirklichen möchtest. Eingebettet in deine Vision - einerseits für dich und dein Leben, andererseits für dein Umfeld (Familie, Freunde, Unternehmen, Verein) und diese Welt.

2. Über mehr Wert-Schätzung zu weniger Wert-Schöpfung?
Corona könnte nicht nur dir als Individuum, sondern uns als Gesellschaft die Chance bieten, unsere Werte neu zu definieren. Solange das Bruttoinlandsprodukt das höchste Ziel unseres Systems ist, werden wir aus unserem Hamsterrad nur schwer herauskommen. Wie wäre es (wie zB im Bhutan) mit "Bruttoinlandsglück" statt Bruttoinlandsprodukt als höchste Priorität? Mit (zwischen)menschlichem Wachstum vor wirtschaftlichem Wachstum? Mit einem Leben im Füreinander statt im Gegeneinander?
Vielleicht stellt sich die Frage bald gar nicht mehr, OB wir diese Transformation wollen, sondern WANN wir sie hinbekommen müssen. Viele Zukunfts- und Wirtschaftsforscher sind sich einig, dass Corona die größte Wirtschaftskrise seit dem zweiten Weltkrieg auslösen wird: Viele Staaten werden Bankrott gehen, viele Unternehmen werden zusperren müssen, viele Menschen werden ihre Arbeitsplätze verlieren. (Das Absurde dabei ist, dass jetzt viele Arbeitnehmer und Angestellte Angst um ihren Job haben, den sie eigentlich eh nicht wirklich machen möchten anstatt sich darüber Gedanken zu machen, was sie eigentlich wirklich machen möchten. Und ich meine jetzt nicht jene, die am Existenzminimum ums Überleben kämpfen.)
Wie viel Sinn macht es da noch, einem endlosen wirtschaftlichen Wachstum hinterherzuhecheln? Mit dem Wissen, dass die Ressourcen dieser Erde ohnehin begrenzt sind und die Natur uns seit Jahren die Rechnung präsentiert. Wäre nicht jetzt der richtige Zeitpunkt, unser wirtschaftliches System neu zu definieren, vielleicht sogar neu zu erfinden? Und im Zuge dessen ein ganz neues Wertesystem für unsere Gesellschaft aufzustellen?
Genau an diesem Punkt schließt sich der Kreis, kommen wir wieder auf die Werte und das Traumhaus zurück. Solange wir auf den Wert "Wirtschaftswachstum" setzen, bauen wir unser eigenes Gefängnis.
Es ist an der Zeit, uns einen neuen "Grund" zu suchen und unser Traumhaus neu aufzubauen.
Was geben wir unseren Kindern mit für ihre Zukunft? Welche Ziele sollten für sie erstrebenswert sein? Was erzähle ich Felix in ein paar Jahren über seine möglichen (beruflichen) Aussichten? Sollte er einen Job anstreben, wo er sich im Konkurrenzkampf nach oben kämpft, seine Ellbögen ausfährt, sich gegen andere durchsetzt oder sie vielleicht sogar "aussticht", um ganz nach oben zu kommen, möglichst hohe Gewinne zu erzielen oder möglichst viele Titel einzuhamstern? Soll ich ihm beibringen, dass es wichtig ist, ein großes Haus zu bauen, ein schönes Auto zu fahren oder teure Markenkleidung zu tragen?
Oder soll ich ihm erzählen UND vorleben, dass er seine Potenziale und Ziele in ein größeres Ganzes integrieren soll, damit wir als Menschen, als Gesellschaft, als globale Community mit- und füreinander ein möglichst gesundes, friedliches und zufriedenes Leben führen können?
Ein Leben voller Wert-Schätzung entsteht im ersten Schritt im Selbst-Wert und mündet im zweiten Schritt in der Achtung anderer.
Können wir nach dieser Krise noch mit gutem Gewissen den Menschen, die wirklich wichtige und systemrelevante Arbeit leisten wie zB den Pfleger*innen, Pädagogen, Reinigungskräften, Lebensmittelverkäufer*innen oder Bauern noch zumuten, für einen lächerlichen Mindestlohn zu arbeiten, während Fußballprofis, Börsenspekulanten und Topmanager Millionen verdienen? Oder ist es an der Zeit, diese (Markt-)Werte zu verschieben? Jeder für sich individuell mit seiner Kraft als Konsument, Unternehmer oder Arbeiter, aber auch die Politik, die die Rahmenbedingungen dafür vorgibt?
In welcher Zukunft wollen wir leben?
Welche Zukunft bauen wir JETZT für unsere Kinder und Enkelkinder? Es geht aktuell natürlich auch darum, wie wir die nächsten Wochen und Monate überstehen ohne unterzugehen, aber auch darum, neue Ideen und Konzepte zu entwickeln, wie wir unser System für eine gelungene und schöne Zukunft transformieren können.
Was ist deine Vision 2050? Für dich, Österreich und diese Welt? Was kannst du JETZT dafür tun, um diese Gesellschaft zu verändern, sie auf den wirklich wesentlichen Werten aufzubauen?
3 Übungen für dich
- Wert-Schätzung: Sprich zumindest einmal am Tag jemandem deine Wertschätzung aus. Sag deinen Eltern, wie dankbar du ihnen bist, deinem Partner, wie lieb du ihn hast, deinem Arbeitskollegen, was er gut gemacht hat, der Dame an der Supermarktkassa, danke, dass sie da ist. Oder schenke einfach "nur" jemandem ein Lächeln oder deine volle Aufmerksamkeit. Es sind die kleinen Dinge im Leben, die uns das Leben versüßen.
- Ruf einen Menschen an, der im Moment sehr einsam sein könnte und hör' ihm einfach "nur" zu. Was dir ein paar Minuten "kostet", verschönert ihm vielleicht den ganzen Tag.
- Bau dein Traumhaus (siehe oben). Solltest du nähere Infos dazu brauchen, melde dich gerne bei mir - office@peterhackmair.com