Starke Connections - Besser zuhören mit der "3-Sekunden-Regel"
Du tust es ständig und doch nicht so richtig. Du musst nichts dafür tun und doch alles geben. Du hast es schon früh gelernt, aber später wieder verlernt: Zuhören.
Zuhören ist mehr als nichts zu sagen.
Kennst du den Unterschied? Kennst du das Gefühl, wenn du jemandem etwas erzählst, aber sie oder er nicht richtig zuhört, du genau spürst, dass es nicht wirklich ankommt?
Kommunikation ist, was beim Empfänger ankommt! Dafür braucht es auf der einen Seite eine SenderIn, die möglichst klar und deutlich kommuniziert, aber auf der anderen Seite einen Empfänger, der auch wirklich bereit ist, zu empFANGEN, etwas anzunehmen. Und dafür braucht er oder sie Zeit, Raum und Aufmerksamkeit.
Wenn du zuhörst, hörst du zu. Und tust sonst gar nichts – du hängst weder auf deinem Smartphone, noch schreibst du etwas auf oder lässt den Radio oder Fernseher laufen. Du fällst deinem Gegenüber weder ins Wort noch denkst du darüber nach, was du jetzt antworten oder als nächstes fragen könntest. Ja sogar nebenbei essen oder trinken kann dich zu sehr ablenken, weil du vielleicht einen kleinen, aber entscheidenden Moment verpasst.
In seiner pursten und stärksten Form des Zuhörens hängst du deinem Gegenüber an den Lippen, saugst jedes Wort auf – und oft sogar noch wertvoller – jede Emotion zwischen den Zeilen. Wenn du dazwischen was anderes tun MUSST, dann wähle eher den Zeitraum, wo gesprochen wird. Denn in der Stille liegt der Schatz.
Wie jede Fähigkeit, kann man auch das Zuhören trainieren oder besser gesagt, sich wieder daran erinnern. Denn wir waren alle einmal richtig gut darin. Als Neugeborenes bist du nämlich darauf angewiesen. Du kannst noch nicht sprechen, deshalb musst du zuhören. Das machst du in den ersten 18 Monaten deines Lebens auch sehr gerne. Weil du erstens lernen willst und dich zweitens mit den Sendern, meistens deinen Eltern, im Normalfall sehr verbunden fühlst. Zumindest bis sich dein „Ich“ entwickelt hat, die Instanz in dir, die sich als eigenständige Person erkennt, sich von anderen abgrenzt und „ihr Ding“ machen möchte, dementsprechend nicht immer auf das hört, was andere ihr sagen.
Du hörst vor allem dann nicht zu, wenn du zu den Sendern keine Verbundenheit spürst oder du dich für das Gesagte nicht interessierst. Vielleicht kennst du das aus der Schule.
Irgendwann bist du aber (vielleicht) erwachsen geworden, vielleicht mit 18, vielleicht auch später. Fakt ist, dass du heute weder von deinen Eltern noch von der Schule noch abhängig bist. Du bist erwachsen. Du bist frei. Du darfst selbst entscheiden. Du darfst dich weiterentwickeln oder besser gesagt, dich wieder zurückbesinnen und er-innern. An das, was du im Inneren spürst und wer oder was dich wirklich interessiert.
2 Gründe, warum du nicht zuhören kannst
Falls es dir heute als Erwachsener noch immer nicht gelingt, wirklich zuzuhören, dann könnte das erstens daran liegen, dass dich der Sender oder das Gesendete noch immer nicht wirklich interessiert oder zweitens, dass du zu sehr mit dir selbst und deinem Ego beschäftigt bist und somit keinen Raum in dir schaffen kannst, um etwas zu empfangen.
Zweiteres war bei mir lange der Fall. In der Schule hörte ich – mit Ausnahme von Sport, Deutsch und Italienisch – in der Regel selten zu, weil es für meinen Traum, Fußballprofi zu werden, nicht relevant war. Anstatt aufmerksam zuzuhören war ich im Gedanken immer schon beim nächsten Training oder Spiel. Oder hin und wieder bei meiner Jugendliebe. Als mich meine Geschichtsprofessorin wieder mal beim Schummeln erwischte, entgegnete ich ihr: „Frau Professor, was interessiert mich die Vergangenheit? Ich will mich mit meiner Zukunft beschäftigen! Ich will Fußballprofi werden!“ Viele Jahre später – spätestens an der Seite meiner Frau, die Geschichtsprofessorin ist, – habe ich erfahren, wie spannend die Vergangenheit sein kann, nämlich auch, um die Zukunft zu verstehen.
Aber auch nach der Schule, angekommen in meinem Traum, war ich nicht gut im Zuhören. Vielleicht sogar noch schlechter. Getrieben von meinem Ego, das anderen beweisen wollte, gut genug zu sein, gestreichelt von Familie, Freunden und Fans, gefragt in meinem Dasein als Fußballprofi, später ORF-Experte und regelmäßiger Talkgast in diversen Fernseh-, Radio- und Podcast-Formaten.
Schon ab 18 Jahren war ich es gewohnt, in der Öffentlichkeit und somit im Mittelpunkt zu stehen, gefragter Interviewter zu sein und immer eine (gute) Antwort parat zu haben. Mit 23 war ich so naiv, eine Autobiografie zu schreiben, bevor ich überhaupt gelernt hatte, was es heißt, zuzuhören. Nicht nur anderen, viel erfahreneren Menschen, sondern vor allem auch meiner inneren Stimme. Mit 27 stand ich mit meinen Vorträgen auf Bühnen mit mehreren hundert Zuhörern, mit 28 analysierte ich Fußballspiele vor 500.000 TV-Zusehern und mit 32 tanzte und sprach ich vor einem Millionenpublikum.
Im Laufe meiner 20er-Jahre habe ich mich einerseits zum Top-Speaker entwickelt, was mein Ego streichelte, aber andererseits auch zum Low-Listener, was meinem Selbst im Weg stand, um zu wachsen.
Im Laufe der letzten Jahre hat sich dieses Blatt aber gewendet. Im Zuge meiner eigenen Transformation vom Fußballer zum Trainer, vom Sohn zum Papa und im Kern vom „Ego zum Selbst“ bin ich auch viel offener, präsenter und in Folge empfänglicher geworden.
Kein Wunder, dass sich in den letzten Jahren dann auch meine Formate geändert haben. Vom Sender und Hauptakteur in gefüllten Stadion, auf großen Bühnen und im Mainstream-Fernsehen erst hin zum Empfänger in meinem Youtube-Channel und Podcast und später als Transformations-Trainer in kleinen Workshop-Gruppen und 1:1 Sessions. Diese Formate sind nie auf meinem Businessplan gestanden, sie sind mir zugeflogen. Aber nicht wegen Glück oder Schicksal, sondern „Inside-out“ als äußere Folge meines inneren Prozesses. Im Namen meiner Mission, nach meiner eigenen Karriere und Transformation nun andere Menschen in ihrem inneren Wachstum hin zum äußeren Erfolg zu begleiten.
Im Zuge meiner Selbstreflexion ist mir auch klar geworden, dass es in meinem Leben immer die 1:1-Begegnungen waren, in denen ich mich am wohlsten fühlte, auch privat. Ein schönes Gespräch mit einem Mitspieler hat mich immer mehr interessiert als der Gruppen-Schmäh in der Kabine. Eine tiefgründige Begegnung mit einem Freund hat mir immer mehr Freude bereitet, wie „Vorglühen“ in der großen Runde.
Warum Zuhören mindestens so schön ist wie zu sprechen
Heute brauche ich es nicht mehr für mein Ego, sondern ist es eine schöne Abwechslung, wenn ich hin und wieder noch auf großen Bühnen, in TV-Talkshows oder Podcasts sprechen darf, aber noch mehr, wenn ich in meinen 1:1 Sessions der Zuhörer bin. Wenn ich eine Frage stelle, die mein Gegenüber so noch nie gehört hat und dementsprechend nicht aus der Ratio, sondern nur aus dem Herzen antworten kann. Wenn ich einen Raum schaffe, in den mein Gegenüber eintreten und sich ganz öffnen kann. Eine Tiefe, in der wir „connecten“ und uns über das wirklich Wesentliche austauschen können. Eine Begegnung, in der Inspiration entsteht. Nicht nur für mein Gegenüber, sondern auch für mich. Ich bin noch nie aus einer Session rausgegangen, aus der ich nicht auch etwas für mich mitnehmen konnte.
Immer wenn du selbst sprichst, nimmst du dir die Gelegenheit, von anderen zu lernen. Wenn du hingegen beginnst wirklich zuzuhören, kannst du wachsen.
Wenn du Coach, TrainerIn oder Führungskraft bist, ist es sowieso essenziell, zuzuhören, um wirklich zu spüren, wie es deinem Team geht und wirklich herauszufinden, was es braucht. Aber auch sonst ist es eine wichtige Eigenschaft, die deine Beziehungen stärkt und dein Leben bereichert. In deiner Partnerschaft ist das Zuhören das Fundament für Verständnis und Wertschätzung. In deiner Elternschaft ermöglicht es dir, die Bedürfnisse deiner Kinder früher und besser zu erkennen. Und in Freundschaften kann das Zuhören zu tiefgründigen Gesprächen und in Folge zu mehr Verbundenheit führen.
Zuhören ist für mich eine der wichtigsten und zugleich unterschätztesten bzw. nicht beachtetsten Fähigkeiten. In meine Transformations-Trainings kommen viele gute Zuhörer, aber noch niemand von ihnen wäre in der „SWOT-Analyse“ auf die Idee gekommen, diese Fähigkeit unter dem Punkt „Stärken“ auch zu erwähnen. Mit Zuhören kann man sich – zumindest direkt – vielleicht nichts kaufen, aber es ist die Basis, um zu connecten, zu lernen und zu wachsen. Und daraus wiederum kann sehr viel entstehen. Auch Dinge, die man sich dann kaufen kann. Abgesehen davon erscheint es mir in Zeiten wie diesen, in der die Gräben in unserer Gesellschaft (rechts vs. links, für vs. gegen Corona-Maßnahmen, Fleischesser vs. Veganer) immer weiter aufgehen, wichtiger denn je, durch Zuhören Brücken für ein gegenseitiges Verständnis zu bauen.
Besser zuhören mit der „Drei-Sekunden-Regel“
Zuhören lernen muss aber nicht anstrengend sein. Du kannst es auch spielerisch angehen. Mein Trauzeuge Georg und ich haben dazu ein Spiel erfunden. Eigentlich ist es uns passiert. Wir haben gemeinsam vier Tage in Barcelona verbracht. So viel Zeit zu zweit hatten wir noch nie. Nachdem die Zeit in unseren sonstigen Treffen immer verfliegt, hatten wir uns viele Ideen und Gedanken für diesen Trip aufgehoben. Zu viele! Wir hatten das Gefühl, so viel nachholen und am besten gleich auch „vorholen“ zu müssen, dass wir uns am ersten Tag ständig überschlugen, dem anderen ins Wort fielen, nie wirklich zuhörten.
Kennst du das, wenn du einen guten Freund länger nicht gesehen hast und ihm alles bis ins letzte Detail erzählen möchtest, ihr beim Philosophieren vom Hundertsten ins Tausendste kommt und euch in Gesprächen über Gott und die Welt nie der Stoff ausgeht?
Zurück zum Spiel. Wir nennen es die „3-Sekunden-Regel“, nicht zu verwechseln mit der anderen „3-Sekunden-Regel“, die ich mit unserem kleinen Felix spiele, wenn ihm wieder mal das Essen runterfällt und er drei Sekunden Zeit hat, es aufzuheben, um es – halbwegs bakterienfrei – doch noch essen zu können. (Falls es länger dauert, darf er meistens auch noch – ist gut für die Abwehrkräfte. Aber bitte nicht seiner Mama sagen.) Eigentlich ist die „Georg-Peter-3-Sekunden-Regel“ ziemlich das Gegenteil. Wir haben nach dem ersten Urlaubstag voller Gesprächsüberflutung kaum was von Barcelona mitbekommen und danach entschlossen, die Regel aufzustellen, dass der Empfänger immer mindestens drei Sekunden warten muss, bevor er dem Sender antworten darf. Ist am Beginn komisch und echt schwierig, aber unglaublich wirkungsvoll!
Die "3-Sekunden-Regel" gibt erstens die Chance, bewusster zuzuhören, weil man weniger in Versuchung gerät, sofort etwas zu antworten. So kannst du es auch wirklich aufnehmen und verarbeiten. Zweitens schafft es auch Raum, um über die Antwort nachzudenken und sie klarer und deutlicher zu formulieren.
Viel Freude & spannende Learnings beim Zuhören,
Enjoy your-self,
Peter
* Zur besseren Lesbarkeit habe ich bei Personenbezeichnungen meist die männliche Form gewählt. Gemeint sind natürlich immer auch die Frauen.
Ich begleite außergewöhnliche Persönlichkeiten in ihrem inneren Wachstum. Menschen, die ihr Potenzial schon erkannt, aber noch nicht voll entfaltet haben. Menschen, die bereits erfolgreich sind, aber spüren, dass da noch mehr geht. Menschen, die im Außen schon viel erreicht haben, aber innerlich nicht wirklich glücklich und zufrieden sind.
